«Titelflut»: Nachfrage bestimmt auch hier das Angebot

Die Berufsbox-Veranstaltung mit der Fernseh-Direktübertragung nach ganz Skandinavien hätte zuerst auf dem norwegischen Schiff M/S Prinsesse Ragnhild im Hafen von Kiel stattfinden sollen. Weil in Schweden und Norwegen Berufsboxen jedoch verboten ist, wurde der Kampfort vom Schiff kurzfristig in die nahegelegene Ostseehalle verlegt. Ganze zwei Tage hatte man Zeit zur Umdisponierung, weil man einen sich in letzter Minute anbahnenden, rechtlichen Konflikt verhindern wollte (norwegischer Veranstaltungsort auf deutschem Gebiet). Rund 400 Schweden – in Deutschland gab es keine Karten zu kaufen – liessen es sich nicht nehmen, der exklusiven Veranstaltung dennoch beizuwohnen.

Der Titelkampf der World Boxing Union (WBU, Titelträger ist unter anderem auch Schwergewichtler Geroge Foreman) war ein Höhepunkt in der noch jungen Geschichte dieses Weltverbandes, dessen Existenz nicht eben dazu beiträgt, die Titelflut in absehbarer Zeit eindämmen zu helfen. Neben WBC, WBA, IBF und WBO schickt sich hier eine fünfte Organisation an, die «Meister aller Klassen» in ihren Reihen zu erküren. Was für Aussenstehende bisweilen die Grenze der Glaubwürdigkeit von «Titelträgern» überschreitet, erscheint bei der näheren Betrachtung allerdings als logisch. Denn der Grundgedanke solcherlei Bestrebungen ist klar: Mit mehr Titelkämpfen (und Titelträgern) lässt sich auch mehr Kasse machen.

Allerdings darf der "Schwarze Peter" für diese "Titel-Inflation» nicht ausschliesslich den Managern zugeschoben werden. Vielmehr spielen auch die Privatfernseh-Sender eine ganz entscheidende Rolle. Ihr Ruf nach prestigeträchtigen Titelkämpfen stösst natürlich auf fruchtbaren Boden. Deshalb ist längst nicht mehr nur die Klasse des Sportlers massgebend, sondern auch «Vitamin B». Box-Promotor Olaf Schröder, neben der Modern Group/Norwegen und dem Schiffseigner Colore Line, einer der Mit-Veranstalter: «Mit den richtigen Beziehungen lässt sich schon einiges erreichen. Dass im Zug derartiger Vorgänge immer häufiger auch Boxer in einer Weltrangliste auftauchen, in der sie von der Leistungsfähigkeit her gesehen überhaupt nichts zu suchen haben, vermag deshalb nicht zu erstaunen.»

Erst Blumen für Don King

Die meisten dieser «Weltranglisten» sind deshalb längst kein Spiegel der Klasse mehr, sondern vielmehr einer der Kasse. Schröder: «Wer beispielsweise beim World Boxing Council WBC berücksichtigt werden will – der vor Jahren immerhin als relevantester aller Verbände galt – der muss dem zwielichtigen Tyson- Manager Don King Rosen auf den Nachttisch stellen. Sonst hast Du keine Chance.» In diesem Zusammenhang darf sich der neue Weltverband WBU allerdings gute Hoffnungen für die Zukunft machen. Denn er orientiert sich an der unabhängigen Weltrangliste, welche ausschliesslich auf Kampf-Ergebnissen basiert (und damit eine gewisse  Vorreiterrolle einnimmt).

Gleichzeitig äusserte Schröder Zuversicht, dass die Idee vom Boxen auf dem Schiff («Boxing Cruise») doch noch greifen wird: «Wir haben zwei weitere derartige Veranstaltungen in diesem Jahr geplant und wir hoffen, dass das Berufsbox-Verbot in Schweden und Norwegen neu beurteilt wird.»