Kompliment dem Herausforderer

Von Andreas Anderegg

Die Neuauflage des Kampfes zwischen Ralf Rocchigiani und Stefan Angehrn hielt, was sie versprochen hatte. Oder besser gesagt: Hielt, was Angehrn nach dem ersten, noch deutlich verloren gegangenen Gefecht vom 13. Dezember versprochen hatte. Denn der Herausforderer kämpfte, was das Zeug hielt und konnte den Kampfausgang bis zum Schluss offen halten. Dass Rocchigiani schliesslich als WBO- Titelträger den Ring wieder verlassen konnte, geht allerdings in Ordnung.

Gegenüber dem ersten Titelkampf verfügte der Thurgauer diesmal - als auffålligste Verbesserung - über sichtlich mehr Schlagkraft. Am meisten beeindruckte beim Herausforderer allerdings der unbedingte Siegeswille. Den Willen, Berge versetzen zu wollen und damit verbunden die Bereitschaft, den als "Lebensziel" formulierten Titelgewinn um jeden Preis zu realisieren. Dies wird nicht zuletzt auch durch die Schlagstatistik deutlich, die Angehrn mit 393:318 vorne sah. Die Optik täuschte allerdings: So verzeichnete Rocchigiani eine Trefferquote von 44 Prozent und traf seinen Kontrahenten 141-mal, der Schweizer hingegen verbuchte dagegen lediglich 121 Treffer (Quote 30 Prozent).

In dieser Hinsicht knüpfte der Kampf im Zürcher Hallenstadion an die Erstauflage an, ging der Deutsche Titelverteidiger doch bereits damals überaus haushälterisch mit seinen Kräften um und machte im Verhältnis zu Angehrn weniger Leerschläge. Und gerade dies ist wohl der markanteste und wichtigste Unterschied zwischen den beiden Berufsboxern. Hier ein Titelhalter mit der Erfahrung aus 120 Amateur- sowie über 50 Profikämpfen, da ein Herausforderer mit 36 Amateur- sowie 20 Profikämpfen. Diesen Unterschied an Erfahrung kann einfach kein Wille und kein Training kompensieren.

Und ganz zum Schluss: Wenngleich über dem sportlichen Wert des Titelkampfes dieser World Boxing Organisation ein grosses Fragezeichen steht, so darf doch festgestellt werden, dass der Boden für den Boxsport hierzulande beileibe nicht so steinig ist, wie er in den meisten Fällen dargestellt wird. Ganz im Gegenteil: Gerade in der von einer tiefen Wirtschaftskrise arg gebeutelten Schweiz wäre der Weg für eine Leaderfigur geebnet. Der Boxer Stefan Angehren hat dies mit seinem Auftritt am Samstagabend deutlich gemacht.