Hoher Preis für Achtungserfolg

Von Andreas Anderegg

Mit seiner Leistung im Kampf gegen Ralf Rocchigiani hat Stefan Angehrn zweifellos einiges wettgemacht an seinem angekratzten Image. Auch wenn der Lipperswiler in dem an Höhepunkten armen Gefecht keine der zwölf Runden für sich verbuchen konnte und klar unterlag, so ist ihm doch immerhin ein Prestigeerfolg gelungen. Denn nur ganz wenige hatten ihm angesichts seines Leistungsausweises die gezeigte Standfestigkeit zugetraut.

Für Rocchigianis Klasse sprach in erster Linie, dass er ökonomisch boxte und nur gerade so viel tat, wie unbedingt notwendig. Dabei ging er allerdings jeweils richtig zur Sache, was seine - im Verhältnis zu Angehrn - hohe Trefferquote belegt. Offenkundig war gleichzeitig aber auch die unterschiedliche Schlaghärte, die beim Titelträger besonders in den Runden 8, 9 und 10 zum Ausdruck kam. Demgegenüber war der Herausforderer - trotz seiner deutlich sichtbaren Fortschritte - einfach zu limitiert, und er blieb denn auch in allen Phasen des Kampfes chancenlos.

Es darf gleichzeitig nicht ausser Acht gelassen werden, dass Rocchigiani lediglich Titeltråger der in der BRD beheimateten "World Boxing Organisation" ist und als Schwächster der vier amtierenden Weltmeister (WBC, WBA, IBF, WBO) gilt. Denn dies lässt erahnen, dass der Weg zur echten Weltspitze für Angehrn noch weit ist. Mit dem Bestreiten eines WM-Kampfes hat der Lipperswiler nun sein angestrebtes Ziel erreicht. Zu einem hohen Preis allerdings. Denn mit dem Kampfausgang vom Samstag ist das grosse Geldverdienen für ihn - ein weiteres Mal - aufgeschoben. Dies fast genau ein Jahr nach dem geplatzten Zürcher Fight gegen WBA-/IBF-Weltmeister Virgil Hill, was aus heutiger Sicht allerdings durchaus als glückliche Fügung bezeichnet werden darf. Denn das Kräfteverhåltnis zwischen Hill, der vor zwei Wochen in Deutschland Henry Maske klar bezwungen hat, und Angehrn entspricht jenem zwischen einem Lastwagen und einem Radfahrer.

Wie lange der Thurgauer noch auf das "Pferd" Profiboxen setzt, wird die Zukunft weisen. Für den 32-jährigen Familienvater wird dies nicht zuletzt eine Frage der Finanzen sein. Dabei gilt es grundsätzlich festzuhalten, dass die Chancen zum grossen Geldverdienen mit dem Berufsboxen gerade in der herrschenden, wirtschaftlich rauen Zeit äusserst schlecht stehen. Profiboxen als Haupterwerb verkommt deshalb mehr denn je zur Gratwanderung.