Der
Weg zum grossen Erfolg ist lang und
hart
Der
Schweizer Boxsport befindet sich in einer Identitätskrise. Seit Jahren fehlt es an
Aushängeschildern, die einen Boom auslösen könnten. Peter Stucki, Präsident der
Schweizerischen Berufsboxkommission, kennt den Grund: "Das Boxen geniesst als
Randsportart in einem kleinen Land eben nur geringe Anerkennung. Dies hindert die
Entwicklung." Wenig förderlich auswirken dürfte sich aber auch die Tatsache, dass
kaum in einer anderen Sportart Sein und Schein so nah beieinander liegen.
Von
Andreas Anderegg
Der
Schweizer Boxsport scheint nicht aus dem Wellental herauszukommen, in das er vor rund 20 Jahren nach
dem
Rücktritt des glorreichen Fritz Chervet gerutscht ist. Wohl hat es seit damals vereinzelte Boxer
gegeben, die auch
international mitreden konnten (so in den 80er-Jahren Europameister Mauro Martelli), doch für Schlagzeilen
sorgten
hauptsächlich "medienwirksame" Akteure. Man erinnere sich beispielsweise an den "grossmäuligen"
Sepp Iten, der
es jedem sagte (auch wenn dieser es nicht hören wollte...): "Ich werde Weltmeister."
Zwei Ereignisse im Schweizer
Boxsport haben diesen in jüngster Zeit jetzt wieder in den Mittelpunkt gerückt. Einerseits
das rechtliche Aus für die
einstige "grosse Hoffnung" Enrico Scacchia (32), andererseits die undiskutable Niederlage
des Thurgauers Stefan
Angehrn (30) gegen Simon McDougall (Gb).
Scacchia:
Selbst verheizt
Sein
(zumindest vorläufiges) Ende fand der "Fall Scacchia" Mitte April vor dem Berner Obergericht,
als dieses die
Klage des Boxers gegen den Schweizerischen Boxverband abwies. Dieser hatte dem Italo-Berner die
Wiedererlangung der Lizenz aus gesundheitlichen Gründen in letzter Instanz verweigert. Dabei hatte
gerade bei
Scacchia einst alles viel versprechend angefangen: Nach dem Wechsel ins Profilager wurde der Italo-Berner
von
seinem Trainer Charly Bühler kontinuierlich an einen Europameisterschaftskampf herangeführt.
Nach der klaren
Niederlage gegen den Franzosen Said Skouma (K.o. in der sechsten Runde) löste sich Scacchia dann
recht schnell
von seinem Trainer und managte sich selber. Peter Stucki, Präsident der Berufsbox-Kommission: "Dies
dürfte der
entscheidende Moment in der Laufbahn von Scacchia gewesen sein, denn fortan missachtete er alle Regeln
eines
kontinuierlichen Aufbaus. In den Trainings mit den verschiedenen italienischen Weltmeistern verheizte
er sich selber.
Er nahm zu harte Schläge, ging zu Boden und verlor so viel zu viel Substanz. Hinzu kam dann, dass
er auch in den
Kämpfen zu viele Treffer kassierte".
Fatale
Auswirkungen
Die
Auswirkungen waren fatal: Der Italo-Berner zeigte als Folge von Substanzverlust Reaktionen, die auf
erlittene
Treffer zurück zu führen sind. Stucki: "In einem medizinischen Gutachten wurde eine progressiv
fortschreitende
Boxer-Enzephalogie diagnostiziert - bei einer Fortsetzung der Karriere besteht das Risiko von Invalidität
- und auf
Grund dieses Gutachtens verweigerte der Schweizerische Boxverband Ende 1993 die Lizenz in letzter Instanz."
Nachdem der Klage gegen diesen Entscheid vor dem Berner Obergericht im April jetzt kein Erfolg beschieden
war,
könnte der Fall gar vor Bundesgericht gezogen werden. Ob es soweit kommt, steht noch nicht fest.
Stucki: "Klar ist
heute aber bereits, dass Scacchia sowohl in Italien wie auch in Deutschland keine Lizenz mehr erhalten
wird."
Gleichzeitig besteht allerdings die Möglichkeit, dass Scacchia allenfalls in Rumänien oder
gar Russland eine Lizenz
erlangen kann. Finanziell interessante Kämpfe liegen dort aber nicht drin.
Ex-Weltmeister
als Gegner?
Ebenfalls
für Schlagzeilen sorgte in der jüngsten Vergangenheit der Thurgauer Stefan Angehrn, der in
seinem
13.Profikampf Mitte April seine zweite (vorzeitige) Niederlage einstecken musste. Der Wurf des Handtuchs
durch
seinen Trainer Charly Bühler bedeutete damals auch das Ende jener Zusammenarbeit. Denn kurze Zeit
später
kündigte der Thurgauer den Vertrag mangels Vertrauen. Angehrn: "Wenn die Person des Trainers
das Wichtigste
bei einem Boxer ist, so muss man was ändern." Mittlerweile trainiert der Thurgauer in Zürich,
und seine Interessen
nimmt Manager Enrique Soria aus Spanien wahr. Nicht geändert werden kann hingegen der Eintrag in
der Lizenz,
welche an die Niederlage gegen den schlechtklassierten englischen Boxer erinnert und einen herben Rückschlag
verkörpert. Da erstaunte es nicht wenige, als im Vorfeld des kommenden Meetings vom 15.Juli in
Kreuzlingen zuerst
der amerikanische Ex-Weltmeister Charles "The Prince" Williams als Angehrn-Gegner präsentiert
wurde.
Berufsbox- Präsident Stucki dazu: "Dies war wohl ein schlechter Witz. Für einen solchen
Kampf würden wir
niemals eine Bewilligung erteilen. Herr Angehrn ist ein kluger junger Mann, doch gerade seine Niederlage
gegen die
Nummer 15 von England bestätigt, dass ein solcher Kampf niemals gerechtfertigt wäre."
Stucki
sagt dies nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund des Todesfalls eines bulgarischen Berufsboxers, der
bei
einem Meeting in St. Gallen vor noch nicht allzu langer Zeit zusammengebrochen und anschliessend verstorben
war.
Angehrn seinerseits bestätigt denn auch, dass entsprechende Vereinbarungen mit dem Ex-Weltmeister
nicht
getroffen waren: "Ich habe damit allerdings überhaupt nichts zu tun." So wird der Thurgauer
am 15.Juli nun gegen
den Amerikaner John Mitchell boxen, der 13 seiner 18 Kämpfe vorzeitig gewann, die letzten fünf
jedoch alle
kurzrundig verlor. Angehrn sieht dem Kampf mit gutem Gefühl entgegen: "Ich habe mich gut erholt
und bin fit."
Traumziel
Titelkampf
Und
wie stellt sich der Thurgauer der kritischen Betrachtung, dass 13 Kämpfe in sechs Jahren im Grunde
genommen nicht gerade einen Leistungsausweis für einen Titelkampf auf Weltebene darstellen? "Die
geringe Anzahl
Kämpfe werte ich als Zeichen dafür, dass ich noch relativ unverbraucht und noch nicht an meinem
Limit angelangt
bin." Gleichzeitig gibt sich Angehrn überzeugt davon, dass das Zustandekommen eines WM-Kampfes
vorwiegend
einen finanzielle Frage sei. Allerdings - gesteht er ein - muss natürlich auch die Leistung stimmen.
Auf kommende
Taten darf man auf jeden Fall gespannt sein.
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